Mein persönlicher Genesungsweg und das Bad Herrenalber Modell (Teil 3)

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Veröffentlicht: 28.08.2022 06:30

Die Fastenvereinbarung

Komiteeregeln

(Teil 3) Auszüge aus meinem Vortrag auf dem Kolloquium des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim am 02.08.2022 über das Behandlungskonzept der Psychosomatischen Klinik Bad Herrenalb - ein Überblick über die Besonderheiten gemeinsam vorgetragen mit Rolf Krause, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie

Eine weitere wichtige Säule des Bad Herrenalber Modells ist die Fastenvereinbarung. Um Fastenregeln einzuhalten und deren Überschreitung zu konfrontieren ist die Komiteearbeit geeignet. Dazu dient Rückfall-Bearbeitung und Beziehungsklärung aber auch ein Hilferuf für eine 3. Person. Dabei ist der Rückfall jede Form der Verletzung der Fastenvereinbarung und in altes dysfunktionales Verhalten, dass ich in meinem therapeutischen Prozess überwinden möchte. Das kann z.B. auch Überanpassung und Hilfeverhalten sein, wenn damit eigene Unsicherheit überspielt wird. Natürlich gelingt die Einhaltung dieser Verhaltensweisen nicht sofort zu 100 %. Die Bewußtmachung eigenen Ausweichverhaltens soll konfrontierbar sein. Wenn wir im 24 Stunden-kontakt mit anderen Patienten in der Gemeinschaft uns ständig im Austausch befinden, dann werden diese Rückfälle beobachtet und Wahrgenommen und sie können auch konfrontiert werden. Dazu gibt es auch die Form der Konfrontation bzw. Beziehungsklärung. das sind alles Meldungen, die vor der Großgruppe stattfinden können, die durch einen anwesenden Therapeuten begleitet werden, wobei es aber entscheidend ist, sich konfrontierbar vor den Mitpatienten zu machen und die Mitpatienten dann entsprechend Rückmeldungen geben. Damit dieser Prozess gut geführt wird, gibt es eine bestimmte Struktur dafür. Dafür gibt es die an den Wänden entsprechend vorformulierte Schemas.

Zu den Fragen, die in dem Schema genannt werden, kann ich, wenn ich eine Rückfallmeldung mache, eine Aussage treffen und ich bekomme dazu Rückmeldungen von meinen Mitpatienten, z.B. Spiegel zu eigenen Erfahrungen aber auch Mitteilungen dazu, ob mir die Ehrliche Rückfallmeldung abgenommen wird oder eher Zweifel aufkommen läßt. Das sind dann zwar schmerzhafte aber wichtige Rückmeldungen, die mich weiterbringen können.

Um den Umgang mit den Fastenregeln zu illustrieren möchte ich meine Erfahrungen in der Essstruktur schildern. Ich war ja auch wegen meines problematischen Über-Essverhaltens in der Klinik. Ich möchte anhand dieses Beispiels die Dynamik im Umgang mit der Fastenvereinbarung demonstrieren. Ich war teil der Esstruktur, das bedeutet, das ich nach der ersten woche mein Essen an einem besonderen Tisch gemeinsam mit den Anderen Patienten in der Essstruktur eingenommen habe. Die Gefühle, die bei jedem von uns im Umgang mit der Esstruktur auftraten waren dann das Material, welches inder Therapie bearbeitet werden wollte. In der Essstruktur, war sehr viel vorgegeben, z.B. die Menge, die Zeit des Essens, aber auch ein Esssponsor, dem gegenüber ich vor dem essen als auch nach dem Essen meinen Teller vorzeigen musste. Verletzungen dieser struktur fürten automatisch zu einer Rückfallbearbeitung. dazu gab es einen Rückfall bearbeitungs-Fragebogen, der von mir ausgefüllt werden musste und der Therapeutin, welche die Essstruktur betreut hat, zugesendet werden musste. Nach jedem Mittagessen gab es eine Essstruktur-Gruppe, in der diese Rückfälle besprochen wurden. Diese Gruppe war auch dazu da über die gefühle beim Essen zu reden, denn während des Essens sollte gegessen werden und nicht über Gefühle gesprochen werden. Die Gruppe diente auch zur Besprechung anderer Fragen, wie z.B. der Übergang zu den 3 Phasen der Essstruktur ausgehandelt wurden. Durch innere Stabilisierung des eigenen Essverhaltens konnte die Patienten in eine Phase mit mehr eigene Handlungsfreiheit was die Wahl der Speisen betrifft überwechseln. Der Ess-sponsor diente aber auch als Gesprächspartner bei anderen Fragen rund um die Therapie. In gegenseitiger Verantwortung haben wir darauf geachtet, unsere Abstinenzregeln einzuhalten. Einmal pro Woche wurden wir gewogen. Zusätzlich gab es in der Essstruktur Anleitung zum gesunden Kochen in der Lehrküche. Während der Teilnahme an der Essstruktur wurde dringend empfohlen, die zwei mal wöchentlich am Abend stattfindende Selbsthilfegruppe der Overeaters Anonymous zu besuchen.

Mir hat die Struktur und das wechselseitige achtsame Verhalten, das Bewusstmachen meiner eigenen inneren Dynamik mit dem Essen über solche Werkzeuge, wie Rückfallbogen, Reflektionsrunde sehr geholfen, und mit Werkzeug an die Hand gegeben für die Zeit nach der Klinik, wie auch der weitere Besuch der Selbsthilfegruppe Overeaters Anonymous in meiner Heimatstadt.

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